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Der Herr Ungemach

Kapitel I: Alles Ärger

Der Herr Ungemach ärgert sich über alles. Am Montag ärgert er sich darüber, dass Montag ist. Morgens ärgert er sich darüber, dass Morgen ist. Abends ärgert er sich darüber, dass Abend ist. Wenn es regnet, ärgert sich Herr Ungemach über den Regen, und wenn die Sonne scheint, ärgert er sich auch darüber. Er ärgert sich einfach über alles. Und deshalb hat er auch keine Freunde. Über Freunde würde sich Herr Ungemach sowieso nur ärgern: Der eine wäre ihm zu groß, der andere zu klein, der nächste zu dick, der vierte zu dünn, die meisten wären sowieso doof, und viele wären ihm zu blond.
Wenn er Hunger hat, ärgert er sich auch. Das Gemüse ist ihm zu grün, das Brot ist ihm zu trocken, von Fleisch wird ihm schon beim ersten Bissen schlecht, und Oliven sind ihm zu schwarz.
Nachdem er schon tagelang nichts mehr gegessen hat, will Herr Ungemach etwas Neues ausprobieren: Fisch. Aber als er den Fisch gekauft hat, ärgert er sich darüber, dass der noch nicht tot ist.
Und zu Hause fängt dieser blöde Fisch sogar an zu sprechen: "Du siehst ja aus wie sieben Tage Regenwetter!" - "Regenwetter?", knurrt Herr Ungemach, "Regenwetter ist überhaupt ganz übel! Außerdem ist heute Montag, es ist Abend und ich habe Hunger.“
Darauf sagt der Fisch traurig: "Wenn du so großen Hunger hast, musst du mich in der Pfanne braten." Aber das ist dem Herrn Ungemach auch nicht recht: "Dann würde ich mich ganz fürchterlich darüber ärgern, dass ich nicht mehr mit dir reden kann." …

Und so ging es den ganzen Tag weiter. Gut, dass Herr Ungemach einen Sohn hatte, der wusste, was zu tun war. Er hieß Ärger. Nachts schlich sich Ärger in Ungemachs Zimmer und fütterte ihn mit Kartoffeln. Doch plötzlich konnte Herr Ungemach nicht mehr atmen, weil er im Schlaf einen mit Kartoffeln vollgestopften Mund hatte! Ärger erschrak. Sein Herz klopfte wie verrückt. Schnell nahm er Handschuhe, zog sie an und nahm die Kartoffeln wieder aus dem Mund des Vaters heraus. Dabei musste sich Ärger fast übergeben. Zum  Glück schlief Herr Ungemach weiter. Leise verließ Ärger das Zimmer.
Am nächsten Morgen ging es wie jeden Tag mit dem Ärger weiter. Diesmal ärgerte sich Herr Ungemach über die Trennung von seiner Frau und aß wieder mal nichts. Er sagte zum Fisch: „Ich werde dich bestimmt nicht essen!“ Der Fisch antwortete mit einem Rap: „Du sollst mich essen! Sonst werde ich vergessen! Und werde so verschimmeln, dass ich so was von vertimmel!“  Ärger aß inzwischen ein Brötchen und ging dann in die Schule, wo er eine Probe schrieb. In der Zwischenzeit geschah zu Hause etwas Schlimmes: Weil Herr Ungemach tagelang nichts gegessen hatte, bekam er plötzlich so starke Schmerzen, dass er sich nicht mehr rühren konnte. Zum Telefon kam er auch nicht!

Kapitel II: Abenteuerliche Rettung

Was sollte er tun? Das Fenster stand offen. Wenn er laut schreien würde – vielleicht würde ihn dann jemand unten auf der Straße hören. Und so schrie er, so laut er konnte: „Hilfe! Hilfe! Ein Arzt, bitte ein Arzt!“ Und das schrie er immer wieder. Eine Frau, die gerade an dem Haus vorbeiging, hörte die Rufe tatsächlich, kramte aus ihrer Handtasche ihr Handy heraus und rief den Notarzt an. Der kam auch sehr bald. Er klingelte bei Herrn Ungemach. Aber der konnte sich ja nicht bewegen und kam nicht zum Türöffner. Also klingelte der Notarzt bei einem Nachbarn. Als er dann endlich mit einem Sanitäter vor Herrn Ungemachs Wohnungstür stand und dort klingelte, tat sich nichts. Man hörte nur Herrn Ungemachs Schreie durch die Tür. „Dann müssen wir wohl den Schlüsseldienst rufen“, sagte der Notarzt zum Sanitäter.

Der meinte: „Oder wir können die Feuerwehr rufen, denn die könnten mit Hilfe einer Leiter durch das offene Fenster steigen und Herrn Ungemach nach unten tragen. Außerdem kostet das auch keine 500 Euro.“ Der Notarzt war einverstanden und rief schnell die Feuerwehr an. Nach ungefähr 5 Minuten war sie auch schon da. Schnell kletterten die Feuerwehrmänner die Leiter hoch und stiegen durch das offene Fenster. Sie fanden Herrn Ungemach im Schlafzimmer und trugen ihn die Treppe hinunter. Schnell transportierten der Notarzt und der Sanitäter Herrn Ungemach zum Klinikum. Dort wurde er sofort behandelt. Sein Herz stand fast still. Schließlich gab ihm der Arzt eine Spritze und beatmete ihn mit einem Beatmungsschlauch.  Sein Sohn Ärger bekam die Notsituation mit und wusste nicht, was er tun sollte.

Es musste etwas geschehen! Der eigentliche Grund für den ganzen Schlamassel war ja, dass Herr Ungemach sich über alles ärgerte und deshalb nichts mehr aß. Es müsste eine Möglichkeit geben, seinen Missmut umzuwandeln. Aber wie? - Herr Ungemach wurde eine Woche lang künstlich ernährt und kam wieder zu Kräften. Dann durfte er nach Hause.

Kapitel III: Die Sache mit den falschen Wörtern

Dort machte ihm sein Sohn Ärger einen Vorschlag: „Warum benennst du die Sachen, die dich ärgern, nicht einfach um – mit Wörtern, die dich nicht ärgern?“ Herr Ungemach verstand das nicht sofort. Ärger nannte ihm ein Beispiel: Wenn er sich über den Montag ärgert, solle er einfach „Dienstag“ dazu sagen. Oder Regen: Den könne er doch „Sandstrand“ nennen. Und die Sonne, über die er sich ärgerte, könnte „Sternenhimmel“ heißen. Herr Ungemach überlegte eine Weile und fand den Vorschlag gar nicht schlecht. Und so beschloss er, allen Dingen, die ihn ärgerten, andere Namen zu geben. Aber damit fingen die Probleme erst richtig an.

Denn wenn er mit einem redete, verstand ihn keiner. Deswegen musste sich Ärger wieder etwas anderes einfallen lassen. Doch er konnte nicht richtig mit ihm reden, da Herr Ungemach ja für alle Wörter ein anderes Wort benutzte. Na toll! 'Und was soll ich jetzt machen?' fragte sich Ärger, doch als er das dachte, fiel ihm ein, dass es bereits 12 Uhr war und er schon längst in der Schule sein müsste. Als er dann in der Klasse war, bekam er eine saftige Strafe: Er musste heute beim Putzen und Wände streichen helfen. Ärger murmelte: „Ein Tag voller Chaos!“
Bei Herrn Ungemach lief es bis jetzt schon viel besser, denn er aß dank des Vorschlags seines Sohnes wieder. Und er hatte sich auch nicht mehr geärgert. Seinen Fisch schmiss er nicht weg, denn er nannte ihn jetzt „Mein Schatz“. Und wenn er stolperte, sagte er „Eiscreme“. Ärger war gerade von der Schule gekommen und sein Vater begrüßte ihn mit „Olala shicka“. Ärger wusste nicht, was sein Vater damit meinte, doch dann fiel ihm der Vorschlag mit den Wörtern ein. Er sagte einfach nur Hallo, aber das verstand Herr Ungemach nicht, deswegen musste er auch „Olala shicka“ als Begrüßung sagen.
Als Ärger ins Bett ging, sagte Herr Ungemach statt Gute Nacht „Backfisch“. Was sollte sich Ärger einfallen lassen, um das Problem zu lösen?
Am Morgen fiel ihm ein, alle Wörter auf ein Papier zu schreiben und sie nebenan zu übersetzen, wenn er wusste, was sein Vater damit meinte.

Während Ärger in der Schule war, ging Herr Ungemach zum Lebensmittelgeschäft um die Ecke, um fürs Wochenende einzukaufen. „Ich hätte gerne einen Fußball“, sagte er zur Verkäuferin. Die schaute ihn erstaunt an: „Mein Herr, wir haben keine Fußbälle! Hier gibt es nur Lebensmittel. Für Fußbälle müssten Sie in ein Sportgeschäft gehen.“ Herr Ungemach wunderte sich. Warum wusste sie nicht, dass Fußball Pizza heißt? Er versuchte es weiter: „Hätten Sie denn vielleicht eine günstige Bohrmaschine?“ Wieder schüttelte die Verkäuferin den Kopf und meinte, dass dafür der Baumarkt zuständig sei. Er sei eindeutig im falschen Laden. Herr Ungemach verstand das nicht: Eine Bohrmaschine war doch in Wirklichkeit ein Putenschnitzel! Beherrschte diese Dame denn keine Fremdsprachen?  Er versuchte es ein letztes Mal: „Haben Sie wenigstens Benzin? Fünf Liter? Ich habe aber leider keinen Kanister dabei.“ Die Verkäuferin verzweifelte langsam und hielt Herrn Ungemach für leicht verwirrt. 'Armer Kerl', dachte sie und wies ihn darauf hin, dass es Benzin nur an Tankstellen gebe. Herr Ungemach verstand die Welt nicht mehr. Er wollte doch nur Zitronenlimonade! Warum begriff sie das nicht? Warum wollte sie ihm nichts zu essen und zu trinken verkaufen? Musste er jetzt verhungern und verdursten? Oder sollte er jetzt doch seinen „Schatz“, den Fisch, schlachten? Völlig missmutig verließ er den Lebensmittelladen und knallte ärgerlich die Tür hinter sich zu.

Kapitel IV: Die Liste

Zu Hause angekommen, war er glücklich, dass Ärger auch da war. Er wollte ihn fragen, ob er für ihn einkaufen könne. Doch er sagte wieder so komische Wörter: „Sonnenschein Popo, kannst du bitte kotzen?“ Doch Ärger ahnte, was das bedeutete. Er schrieb sofort in seine Liste, dass Sonnenschein Popo  „Ärger“ hieß und Kotzen „Einkaufen“. Ärger freute sich darüber, dass er endlich ein paar Wörter auf seiner Liste hatte. Als er in die Küche kam, sah er, dass Ungemach gerade seinen Lieblings Fisch Sonnenschein schlachtete und Tränen in den Augen hatte. Ärger ging zu ihm und fragte, was los sei. Er antwortete: „Meine Haare brennen von den Äpfeln!“ Ärger sah Zwiebeln auf dem Tisch und  wusste sofort, was das bedeutete. Schnell schrieb er auf, dass Haare „Augen“ bedeutete und Apfel „Zwiebel“. Doch das half ihm erst mal nicht weiter, denn eigentlich wollte er seinen Vater fragen, ob er wieder normal reden könne. Plötzlich fiel ihm ein, dass er schon wieder zu spät zur Schule kommen würde, und zwar noch später als beim letzten Mal. Als Strafe musste er diesmal vier Stunden lang schreiben. Das ging echt in die Hosen, denn er schrieb vier Stunden lang den falschen Satz. Deswegen musste er alles wieder neu starten. Nach der Schule war Ärger so genervt, dass er…

…seinen Schulranzen in die Ecke pfefferte und überhaupt nicht daran dachte, seine Hausaufgaben zu machen. Alles konnte ihm gestohlen bleiben! Blöde Schule! Blöder Papa, mit dem man sich nicht mehr richtig unterhalten konnte! Würde er, sein Sohn, nun auch ein kleiner Ungemach werden? Aber das wollte Ärger nicht. Denn er war eigentlich ein fröhlicher und netter Junge - und wollte das auch bleiben. Deshalb überlegte er nach einer Weile, als seine schlechte Laune verflogen war, wie er seinen Vater wieder aufmuntern könnte. Denn das war der Schlüssel zu dem ganzen Schlamassel. Er müsste wieder positiv denken. Aber wie sollte das geschehen? Das mit den falschen und erfundenen Wörtern war ja keine richtige Lösung gewesen. Dadurch war alles nur noch mehr in Unordnung geraten. Das Chaos wurde immer schlimmer. Ärger wollte endlich wieder seinen Frieden, und dass sein Vater wieder fröhlich war. Da kam ihm eine Idee.

Und zwar könnte er für ihn einkaufen. Anschließend würde er so lange mit ihm so komisch reden, bis sein Vater in einer  verständlichen  Sprache fragen würde, was los sei. Wenn das passieren würde,  könnte es geschehen, dass Ärger ihn normal fragen könnte, ob er wieder die richtige Sprache hätte. Ärger wollte es schon mal testen, aber sein Vater fing als erstes an und sagte: „Olala Chica, meine Tomate!“ Ärger begrüßte ihn ebenfalls und schrieb sofort auf, dass Tomate Sohn bedeutet. Schließlich fing Ärger an, komisch mit Herrn Ungemach zu reden. Doch plötzlich sagte der: „Ab ins Bad. Es ist schon 10 Liter.“ Ärger schaute auf die Uhr und sah, dass es 10 Uhr nachts war. Das hieß, dass Liter Uhr bedeutete. Gleichzeitig schrieb er auf, dass Bad Bett bedeutete. Schließlich ging er schlafen und bekam wie immer das Wort Backfisch zu hören.

Kapitel V: Auf der Suche nach einer Lösung

Am nächsten Tag nach der Schule wollte er das mit dem Einkaufen probieren. Er fragte seinen Vater, was er denn heute essen wolle, dann würde er das im Lebensmittelgeschäft besorgen. Herr Ungemach verstand natürlich, was Ärger ihn gefragt hatte, aber er war noch so in seiner falschen Sprache gefangen, dass er sagte: „Heute einen Fußball!“ - Ärger sagte: „Papa, das ist doch Quatsch! Fußbälle kann man nicht essen! Also, was willst du haben?“ Herr Ungemach überlegte: Das Wort Pizza wollte er auf keinen Fall aussprechen. Dann würde er sich nur ärgern. Aber verhungern wollte er auch nicht. Was sollte er also tun? Da kam ihm eine Idee. Wortlos holte er ein Kochbuch, blätterte darin und zeigte nach einer Weile auf das Wort Pizza. „Na also“, sagte Ärger, „geht doch!“ Und er kaufte im Lebensmittelgeschäft zwei Pizzen – eine für seinen Vater und eine für sich. Jetzt mussten sie wenigstens nicht verhungern. Aber wie konnte er seinen Vater dazu bringen, wieder normal zu reden?

Tja, das war die Frage. Plötzlich kam Ärger auf eine Idee. Er könnte seinem Vater solange Möglichkeiten aus dem Kochbuch zeigen, bis er immer öfter und öfter aus Versehen richtige Wörter aussprechen würde. So könnte er sich dann daran gewöhnen, wieder anständig zu reden. Das ging sofort am nächsten Tag los. Doch  erst am 6. Tag sagte er ´Spaghetti´ statt ´Schule´. So ging das weiter, bis er immer mehr und mehr normal sprach. Doch das Problem war, dass manche Sätze trotzdem noch komisch klangen, weil sie eine Mischung aus normaler Sprache und der Sprache von Herrn Ungemach waren. Zum Beispiel hieß es statt „Ich bade mich jeden Tag“: „Ich wälze mich auf jedem Schwein“.  Schließlich fiel Ärger auf, dass…

… sein Vater sich bei diesen Sprachspielereien überhaupt nicht mehr wohl fühlte. Er konnte ihm ansehen, dass er sich sogar damit herumquälte. Ärger überlegte, was er tun könnte. Mit ihm zu reden, half nichts. Also schrieb er ihm einen kurzen Brief: „Lieber Papa, ich habe gemerkt, dass das mit den falschen Wörtern keine Lösung ist, und dass Du das eigentlich auch nicht mehr willst. Bitte rede wieder normal. Ich hab Dich doch lieb! Und wenn Du Dich mal wieder ärgerst, erzähle ich Dir jedes Mal einen Witz. Dein Ärger.“ Den Brief legte er kurz vor dem Schlafengehen auf den Küchentisch.
Als Herr Ungemach am nächsten Morgen in die Küche kam und den Brief entdeckte, war er so gerührt, dass er Tränen in den Augen hatte. Kurz darauf kam auch Ärger in die Küche. „Hallo Ärger, guten Morgen, hast Du gut geschlafen?“, fragte Herr Ungemach. Ärger wunderte sich und freute sich gleichzeitig. Hatte sein Brief gewirkt? „Und“, fragte sein Vater weiter, „erzählst du mir einen Witz?“ - „Hast du dich denn über irgend etwas geärgert?“ - „Nein“, sagte Herr Ungemach, „aber ich höre gerne Witze!“ - „Also gut, Papa, pass auf: Stehen zwei Kühe auf der Weide. Sagt die eine: 'Muh!' Sagt die andere: 'Och, Mensch, das wollte ich auch gerade sagen!'“ Da musste Herr Ungemach so lachen, dass er sich fast an seinem Schinkenbrot verschluckte. „Und noch was“, sagte er, als sein Lachanfall vorbei war, „meinst du nicht, wir sollten dir einen anderen Namen geben? 'Ärger' ist doch wirklich ein blöder Name. Und mit Ärger wollen wir beide doch nichts mehr zu tun haben, oder? Du darfst dir deinen Lieblingsnamen aussuchen!“ Da musste Ärger nicht lange überlegen: „Ich heiße jetzt 'Frohsinn'!“ Und er strahlte über alle vier Backen.