Kids & Teens

Das falsche Ei

Es war einmal ein Rotkehlchen-Pärchen. Das freute sich schon sehr auf seine Kinder. Die Rotkehlchen-Mama hatte nämlich fünf Eier gelegt. Auf denen saß sie und brütete. Wenn sie Hunger hatte, flog sie kurz weg und wurde von ihrem Mann mit kleinen Regenwürmern oder Spinnen gefüttert. Ja, so ist das bei den Rotkehlchen.

Als sie sich mal wieder bei ihrem Mann Nahrung holte, passierte folgendes: Eine Kuckucksfrau flog zu dem Rotkehlchen-Nest – und legte ein eigenes Ei zu den anderen Eiern. Dann verschwand sie ganz schnell wieder. Kuckucksfrauen sind nämlich zu faul zum Brüten und zum Füttern ihrer Kinder. Deshalb lassen sie das andere Vögel machen. Eigentlich ist das gemein.

Als die Rotkehlchen-Mama zurück kam, um weiter zu brüten, merkte sie nicht, dass jetzt sechs Eier im Nest lagen. Rotkehlchen können nicht zählen. Und das sechste Ei sah genau so aus wie die anderen. Es war nur etwas größer. Also brütete sie eifrig weiter.

Nach ein paar Tagen schlüpften die ersten beiden Rotkehlchen-Babys aus ihren Eierschalen. Das war eine Freude! Jetzt kam der Papa regelmäßig zum Nest und brachte Futter für die ganze Familie.

Als nächstes schlüpfte das Kuckucks-Baby. Es war größer als die kleinen Rotkehlchen und sah auch ganz anders aus, nämlich grau. Und noch etwas war nicht normal: Der kleine Kuckuck schaute sich im Nest um, sah die beiden winzigen Rotkehlchen und die restlichen Eier – und er freute sich riesig. Juhu, ich habe Geschwister!

Warum das nicht normal ist? Nun, eigentlich ist es so, dass ein junger Kuckuck folgendes macht: Er schmeißt die anderen brutal aus dem Nest, damit er der Einzige ist, der gefüttert wird. Das ist auch so etwas Gemeines, was die Kuckucksvögel machen. Das ist bei ihnen ganz normal.

Aber dieser kleine Kuckuck war nicht normal. Er freute sich über seine Geschwister! So etwas Verrücktes! Wenn seine Kuckucks-Mama ihn jetzt sehen würde, dann würde sie sagen: Der spinnt!

Am nächsten Tag schlüpften auch die restlichen Rotkehlchen-Babys. Jetzt waren sie zu sechst.

Die fünf kleinen Rotkehlchen wunderten sich: Warum haben wir hier einen, der viel größer ist und ganz anders aussieht? Ach, egal, dachten sie – und sie freuten sich riesig: Super, wir haben einen großen Bruder! Der kann uns beschützen, wenn Mama und Papa mal nicht da sind.

So wurden die fünf Rotkehlchen und der graue Kuckuck Freunde fürs Leben, und der Kuckuck passte immer auf, dass seinen Geschwistern nichts passierte. Ist doch eigentlich ganz normal, oder?


© Matthias Hoppe