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Der Wolkenkratzer

Es gibt Hochhäuser, die sind so riesig, dass sie die Wolken berühren und an ihnen kratzen. Deshalb nennt man sie auch Wolkenkratzer.
In Hintertupfingen steht auch ein Wolkenkratzer, der die Wolken berührt – wenn mal welche da sind. Dann kratzt er an ihnen.
Irgendwann fanden die Wolken das Gekratze aber gar nicht mehr so lustig. Denn wenn man gekratzt wird, tut es weh und man hat eine Verletzung. Die Wolken bekamen deshalb große Schmerzen und fingen an zu weinen, so dass ihre Tränen hinunter auf die Erde fielen. Die Menschen nannten das „Regen“.
Weil der Wolkenkratzer aber nicht aufhörte, an den Wolken zu kratzen, mussten sie immer weiter weinen. Nach drei Tagen sagte die größte Wolke: „Hallo Freunde, ich glaube, wir sollten von hier verschwinden. Immer nur gekratzt werden und heulen müssen – das ist doch kein Leben!“ Und die Wolken machten sich auf den Weg in eine andere Gegend, in der es keine Wolkenkratzer gab.
In Hintertupfingen schien jetzt nur noch die Sonne und es regnete nicht mehr. Eine Woche lang, zwei Wochen, drei Wochen. Keine Wolke kam vorbei. Nach vier Wochen ohne Regen wurden die Blumen auf den Wiesen und in den Gärten von Hintertupfingen ganz schlapp und ließen die Köpfe hängen. Auch die Blätter an den Bäumen und das Getreide auf den Feldern wurden immer trockener. Und das Wasser in den Bächen, Flüssen und Seen wurde immer weniger.
Als die Sonne das vom Himmel aus sah, hatte sie Mitleid. Sie rief zu dem Wolkenkratzer in Hintertupfingen hinunter: „Hallo du, könntest du dir vorstellen, dass du die Wolken nicht kratzt, sondern nur kitzelst? Dann würden sie vielleicht zurück kommen.“ Der Wolkenkratzer überlegte kurz und stimmte dann zu. Und die Sonne sagte dem Wind, dass er ein paar Wolken nach Hintertupfingen blasen sollte. Der tat das auch, und bald waren dort wieder Wolken.
Der Wolkenkratzer fing an, die Wolken zu kitzeln. Erst ganz leicht. Da mussten die Wolken kichern. Der Wolkenkratzer kitzelte ein bisschen mehr und stärker. Da lachten die Wolken schon ein wenig lauter. Nach ein paar Minuten kitzelte der Wolkenkratzer die Wolken so sehr, dass diese gar nicht mehr aufhören konnten zu lachen. Vor lauter Lachen kamen ihnen die Tränen – weil es so kitzelte. Und die lustigen Tränen fielen auf die Erde.
So kam es, dass es in Hintertupfingen wieder regnete und alle Blumen und andere Pflanzen wieder gesund wurden.
„Aber irgendwann“, rief die Sonne zum Wolkenkratzer hinunter, „irgendwann hörst du auch mal wieder auf mit dem Kitzeln – damit sich die Wolken von ihrem Lachanfall erholen können. Und außerdem soll es so sein, dass das immer abwechselnd geht: mal Regen, mal Sonnenschein. Dann ist alles in Ordnung.“

© Matthias Hoppe