Kids & Teens

Die freche Hexe

Kapitel I: Begegnung mit Tusnelda

Die Hexe Tusnelda rieb sich die Augen, rekelte sich in ihrem Bett und gähnte dreimal: War denn schon wieder Frühling? Sie schaute auf die Uhr. Tatsächlich – der Winterschlaf war vorbei. Sie zog sich an und frühstückte. Nach dieser langen Winterpause musste sie sich ausgiebig stärken, um Kraft für die Hexerei zu tanken. Dann überlegte sie, welchen Streich sie als erstes spielen könnte. Genau: Sie würde einen Ausflug zur Tankstelle machen. Also stieg sie auf ihren Besen und flog in die Stadt. Dort setzte sie sich gegenüber der Tankstelle auf ein Hausdach und flüsterte einen Zauberspruch: „Benzi, Benzi, Milli, Milli, Auto putt, das is' gutt! Hexi-flexi!“ Und plötzlich kam aus den Schläuchen der Tankstelle kein Benzin mehr, sondern Milch. Damit konnten die Autos natürlich nicht mehr weiterfahren und mussten abgeschleppt werden. Tusnelda lachte sich kringelig. Das war ein Spaß!
Dann kam die Feuerwehr und pumpte die Milch aus den unterirdischen Tanks. Nach einer Weile brachte ein Tanklastzug neues Benzin und füllte es in die Tanks. Aber die Hexe Tusnelda sagte wieder einen Zauberspruch: „Benzi, Benzi, Brombi, Brombi, Auto putt, das is' gutt! Hexi-flexi!“
Als die nächsten Autofahrer tanken wollten, floss aus den Zapfsäulen nicht Benzin, sondern Brombeersaft! Tusnelda lachte sich ins Fäustchen. - Dann flog sie weiter zum Supermarkt. Dort versteckte sie sich unter einer Kühltruhe und beobachtete, wie die Leute durch die Gänge latschten und Lebensmittel in ihre Einkaufswagen packten. Eine Frau wollte gerade einen gefrorenen Fisch aus der Tiefkühltruhe nehmen. Tusnelda flüsterte: „Fischlein, Fischlein in der Hand, hast du mich denn nicht erkannt? Hexi-flexi!“ Und plötzlich wurde aus dem Fisch ein Fußball. Die Frau schüttelte den Kopf; denn sie konnte nicht Fußball spielen. Deshalb legte sie den Ball gleich wieder zurück in die Tiefkühltruhe.
Die Hexe Tusnelda kicherte. Dann sah sie, wie ein Mann nach einem Fläschchen Sonnenöl griff. Schnell flüsterte sie: „Öli, Öli, Gröli, Gröli! Hexi-flexi!“ Und der Mann hatte eine verbeulte Trompete in der Hand. Aber weil er nicht besonders musikalisch war, stellte er das Instrument zurück ins Regal.
Tusnelda überlegte: Wohin sollte sie jetzt fliegen? Vielleicht zu einem Kinderspielplatz? Eine Rutschbahn und eine Schaukel verhexen? Das wäre lustig! Also stieg sie auf ihren Besen und flog los. Doch an der nächsten Kreuzung geschah es: Sie passte einen Moment nicht auf – und prallte gegen eine Ampel. Ihr Besen zerbrach in zwei Teile und fiel zu Boden. Tusnelda konnte sich gerade noch oben an der Ampel festhalten und strampelte wie wild mit den Füßen.

Auf einmal spazierten zwei kleine Mädchen vorbei. Eines fragte zickig: „Wer bist du, was machst du da? Und überhaupt: Ist jetzt eigentlich Fasching?“ Die Hexe kapierte nicht sofort, was das Mädchen meinte. „Na, du kleines Knochenknörpelchen? Was macht ihr hier?“ Die Kleine fragte angeberisch zurück: „Hey, du alte Schachtel! Aus welchem Jahrhundert bist`n du?“  Tusnelda schwieg. Es war Freitag der 13. in der Fronte 13 um 13:13 Uhr. Hexe Tusnelda sagte ihren Lieblingszauberspruch: „Oh, du kleines Knörpelchen, jetzt bist du ein Männchen.“ Lilli, das kleine Mädchen, blieb zickig und weiblich, wurde aber in den Bann der frechen Hexe gezogen. Es gehorchte aber immer noch nicht so, wie Tusnelda sich das vorstellte. Lilli brüllte: „Ich bin auch eine Hexe und kann zaubern! Ich zeige dir etwas.“ Sie hexte ein Glas Milch herbei. Da staunte die alte Hexe. Sie fragte: „Wie schaffst du das?“. Da nörgelte das Kleine: „Das ist der einzige Trick, den ich kenne. Warum kann ich noch nicht so gut zaubern wie du?“ Da dachte die Hexe nach und grinste mysteriös: „Möchtest du vielleicht meine Schülerin werden?“ Da sagte Lilli:

Kapitel II: Ohne Besen geht gar nichts

„Das wäre nicht schlecht. Aber du hängst ja noch da oben an der Ampel. Komm erst mal runter, dann können wir über alles reden.“ Vorsichtig kletterte Tusnelda den Ampelmast hinunter und stand dann vor den beiden Mädchen. „Ihr wolltet wissen, aus welchem Jahrhundert ich bin“, sagte sie. „Nun, aus dem selben Jahrhundert wie ihr. Auch heute gibt es noch Zauberhexen. Und du, Lilli, wolltest wissen, warum du noch nicht so gut zaubern kannst wie ich. Das ist ganz einfach: Dazu braucht man eine Ausbildung. Und die kann man bei mir bekommen.“ Aber Tusnelda hatte noch ein Problem. Ihr Besen war ja zerbrochen. Und den musste sie erst mal reparieren. Also rief sie: „Besen, Besen, nix gewesen, husch-husch!“ Sofort fügten sich die beiden Teile des Besens wieder zusammen. „Aber ihr braucht auch einen Besen“, meinte Tusnelda, „sonst können wir ja nicht zusammen zur Hexenzauberschule fliegen.“

„Ich probier's mal“, sagte Lilli: „Ich bin ein kleines Wesen, kann aber nicht lesen, drum wünsche ich mir einen Besen, als wär` er immer hier gewesen!“, Und plötzlich war ein Besen genau in ihrer Größe da. Sie strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Darf ich ihn gleich mal ausprobieren?“, fragte sie aufgeregt. Tusnelda war begeistert: „Wie hast du das hinbekommen?“ Das war gar nicht so einfach gewesen. Aber so sehr die Hexe auch nachbohrte - Lilli rückte die Antwort nicht heraus. Schließlich sagte sie: „Ich weiß es selbst nicht. Das ist mir einfach so rausgerutscht. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es sagen sollte. Das war reiner Zufall. Ich wusste es wirklich nicht vorher.“ Tusnelda verstand. Das Mädchen hatte eine Stärke für ausgedachte, spontane Zaubersprüche. Tusnelda sagte: „Ich kenne das. Mir ist das auch schon passiert.“ - „Könnte aus mir auch so eine wunderbare Hexe werden?“, fragte Lilli neidisch. „Wie heißt du eigentlich?“ Tusnelda lachte: „Du weißt nicht, wer ich bin? Darf ich vorstellen: Tusnelda  Pappadopulus.“ Lilli lachte sich zu Tode. „Pappadopulus? Was ist denn das für ein Name? Kommt der aus Pappadopuland?“ Tusnelda wurde vor Wut ganz rot im Gesicht.

Kapitel III: Auf zur Hexenzauberschule!

Aber sie beherrschte sich und sagte ärgerlich: „Ihr habt offensichtlich keine Ahnung. Pappadopulus ist ein griechischer Nachname. Meine Eltern kommen nämlich aus Griechenland. Schon mal davon gehört?“ Jetzt mischte sich Kathrin, das zweite Mädchen, ein und meinte: „Griechenland? Ist das nicht das Land, wo so viel Knoblauch gegessen wird? Tsatsiki und so? Hauch mich mal an, Tusnelda Pappadopulus!“ Das war Tusnelda jetzt aber doch zu viel und sie sagte: „Ich dachte, wir wollten zur Hexenzauberschule fliegen! Schon vergessen? Dazu brauchst du, Kathrin, aber auch noch einen Besen. Hast du ebenfalls einen passenden Zauberspruch auf Lager? Also los, streng dich an!“ Kathrin überlegte kurz und sagte dann grinsend:

„Ich bin ein kleines Wesen, kann auch nicht lesen. Drum wünsche ich mir einen Besen, als wär er immer hier gewesen“. Und wie im Nu war auch ein zweiter Besen in der Luft. Tusnelda konnte ihr Glück kaum fassen. Da hatte sie tatsächlich zwei  waschechte kleine Nachwuchs-Hexen getroffen. Also flogen die drei zur Hexenzauberschule. Frau Runzelfunzel, die alte  Lehrerin von Tusnelda, begrüßte Kathrin, Lilli und die alte Tusnelda herzlich. Sie sagte mit krächzender  Stimme: „Hallo, meine lieben Kinder. Wie geht es euch denn?“. Tusnelda stellte die alte Frau den Kindern vor und umgekehrt. „Wer bist du und was machst du hier? Du siehst ja genauso aus wie unsere Uroma!“, lachten Kathrin und Lilli wie aus einem Mund. Die  Alte war entsetzt. Sie rief entrüstet: „Also, zwei solche Gören nehme ich nicht in meiner Zauberschule auf! Das ist ja unerhört! Kein Benehmen haben die beiden!“. Aber es kam noch schlimmer. Denn jetzt waren die beiden nicht mehr zu bremsen. Sie machten sich zuerst über die Kleider von Frau Runzelfunzel lustig, und dann verwüsteten sie deren ganze Wohnung.

Kapitel IV: Erst Krieg, dann Frieden

Das war für Tusnelda und Frau Runzelfunzel jetzt aber doch zu viel. Sie tuschelten miteinander, was sie tun sollten. Dann hatten sie eine Idee. Frau Runzelfunzel stellte sich mitten ins Wohnzimmer und rief:
„Dreimal nachgedacht,
was ihr da macht.
Damit ist jetzt Schluss,
weil ich noch kochen muss.
Ene, mene, mecke,
ab mit euch an die Decke!“
Und ehe sich Kathrin und Lilli versahen, schwebten sie plötzlich, wie von einem starken Magneten angezogen, an die Decke des Wohnzimmers. Sie konnten sich nicht dagegen wehren. Und oben an der Decke blieben sie kleben, weil Frau Runzelfunzel eine dicke Schicht Klebstoff an die Decke gezaubert hatte. „Hilfe, Hilfe!“, riefen die beiden Mädchen und strampelten mit den Füßen, „wir wollen wieder runter!“ Aber Frau Runzelfunzel und Tusnelda kicherten nur.

Da klebten sie nun, Lilli und Kathrin, und riefen abwechselnd: „Was macht ihr denn mit uns?“. Das half aber nichts. Die beiden Hexen scherten sich keinen Dreck um die Mädchen. Sie gingen in die Küche und berieten, was sie mit den Unruhestifterinnen anstellen sollten. Nach ca. 45 Sekunden kamen sie wieder zurück. Aber sie hatten immer noch keine Idee. Plötzlich konnte sich Lilli von der Decke befreien, sprang hinunter, schnappte sich eine rostige Schere und schnitt Tusnelda mehr als die Hälfte der Haare ab. „Auhhhhhhh!“,  brüllte Tusnelda, ergriff die Flucht und flog nach Hause. Jetzt hatten die Mädchen aber ein schlechtes Gewissen. Es gefiel ihnen nicht, wie sie Tusnelda behandelt hatten. Sie kauften eine Schachtel Pralinen für sie und besuchten sie. Dabei entschuldigten sie sich. Tusnelda vertrug sich wieder mit Lilli und Kathrin und alle waren glücklich. Tusnelda sagte lachend: „Ich wollte mir sowieso die Haare schneiden lassen. Eine Kurzhaarfrisur ist ja auch viel praktischer!“ Plötzlich schoss Tusnelda eine Idee durch den Kopf - eine sehr gute Idee! Sie adoptierte die beiden Mädchen, und die drei lebten zufrieden und glücklich bis ans Ende ihrer Tage in der alten Hütte im Wald.