Kids & Teens

Das Nachtbuch

Benjamin schreibt seit einiger Zeit ein Nachtbuch. Das ist das Gegenteil von einem Tagebuch. In ein Tagebuch schreibt man, was am Tag so alles passiert ist. In sein Nachtbuch aber schreibt Benjamin alles, was er in der Nacht erlebt hat. Und das sind seine Träume.Letzte Nacht hat er geträumt, er hätte zum Geburtstag ein neues Fahrrad bekommen. Und das hatte Flügel. Immer wenn Benjamin losfuhr, bewegten sich die Flügel. Und je schneller er strampelte, desto schneller wurden auch die Flügel – bis das Fahrrad irgendwann abhob. „Juhu, ich kann fliegen!“, rief Benjamin, „das ist ja irre! Höher, höher!“ Und er trat in die Pedale, was das Zeug hielt. Gleichzeitig klingelte er ganz laut, damit er nicht mit irgendwelchen Vögeln zusammen stieß.Aber nach einer halben Stunde merkte er, dass er nicht mehr so viel Kraft hatte. Deshalb kehrte er um und strampelte etwas langsamer. So sank sein Fahrrad immer tiefer – und Benjamin landete ganz sicher direkt vor dem Haus, in dem er wohnte. - Dann war der Traum vorbei und Benjamin wachte auf. Er schnappte sich sofort sein Nachtbuch und schrieb alles auf.„Mama“, sagte er beim Frühstück, „kennst du dich mit Träumen aus? Weißt du, was es bedeutet, wenn man im Traum fliegen kann?“„Uih, du hast geträumt, dass du geflogen bist? Erzähl!“ Und Benjamin erzählte von seinem Fahrrad mit Flügeln.„Das ist ein toller Traum“, sagte Mama „er bedeutet, dass du aus deinem Leben etwas Besonderes und Sinnvolles machen willst, dass du Erfolg haben möchtest. Unsere Träume sind ja ein Spiegel unserer Seele. Schön, dass du nichts Schlimmes oder Böses geträumt hast.“„Ich hab' alles in mein Nachtbuch geschrieben“, sagte Benjamin, „damit ich es nicht vergesse.“„Das ist gut“, lächelte Mama. „Aber sag mal: Wie bist du mit deinem Fahrrad wieder heruntergekommen? Bist du abgestürzt?“Benjamin lachte: „Nein, ich bin ganz weich gelandet – direkt vor unserer Haustür.“ - „Klasse!“, freute sich Mama. „Denn wenn du geträumt hättest, dass du abgestürzt bist, dann hätte das bedeutet, dass du Angst vor der Zukunft hast. Aber eine sanfte Landung heißt, dass du dich sicher fühlst und Vertrauen hast. Das macht mich sehr froh, dass das so ist.“„Du, Mama“, sagte Benjamin, „darf ich dir irgendwann mal wieder aus meinem Nachtbuch erzählen?“ - „Na klar“, freute sich Mama. „Träum doch mal von einem roten Herzen! Das bedeutet Liebe.“„Na gut“, lachte Benjamin, „ich werd' mal meine Seele fragen, ob sie so einen Traum auf Lager hat. Aber...“  Und Benjamin umarmte seine Mama ganz fest: „Aber ich hab' dich sehr lieb, auch ohne von roten Herzen zu träumen!“


© Matthias Hoppe