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Der Vorkoster

Jeder König hat einen Vorkoster. Das ist ein Mann, der alles, was der König essen und trinken soll, vorher probieren muss. Denn alle Könige haben Angst, dass jemand sie vergiften will. Und deshalb haben sie einen Vorkoster.
Bevor also ein König zu essen und zu trinken beginnt, muss zuerst der Vorkoster ran. Er kommt zum Tisch des Königs, nimmt mit seiner Gabel zum Beispiel ein Stück vom Schweinebraten und von den Knödeln, Soße natürlich auch und Krautsalat – und kaut alles gut durch. Dazu ein Schluck Bier. Wenn er runtergeschluckt hat, wartet der König eine Weile. Er will ja wissen, ob das Essen und Trinken vergiftet waren. Wenn Gift drin war, würde der Vorkoster tot umfallen. Wenn nicht, dann würde er sagen: „Schmeckt aber sehr gut heute!“
König Konrad hatte auch einen Vorkoster. Das war ein ganz Schlauer. Als der bei König Konrad anfing, dachte er: „Was? Ich soll den Vorkoster spielen? Und wenn Gift drin ist, bin ich tot? Nee, ohne mich! Ich bin doch nicht blöd!“ Deshalb kaufte er sich eine Zauberflüssigkeit, mit der man Gift erkennen kann.
Immer, wenn König Konrad sich mit seiner Frau Konradine an den Tisch setzte und das Essen hereingebracht wurde, kam kurz danach der Vorkoster mit einem leeren Teller und einem Becher. Er nahm sich etwas von den Speisen und Getränken, verbeugte sich dann und sagte: „Eure Majestäten, es gebührt sich nicht, dass ein Vorkoster vor einem König und einer Königin schmatzt und rülpst! Ich schmatze und rülpse nämlich sehr gerne. Deshalb mache ich die Vorkosterei in der Küche.“
Dann verschwand er ganz schnell. In der Küche tröpfelte er seine Zauberflüssigkeit auf die Speisen. Wenn Gift drin wäre, dann würden das Essen und Trinken eine andere Farbe bekommen. Wenn nicht, dann würde sich nichts verändern und der Vorkoster wüsste Bescheid, dass alles in Ordnung war.
Bis jetzt war alles gut gegangen. Aber eines Tages bekam der Vorkoster einen riesigen Schreck: Das helle Fleisch des Hähnchens wurde plötzlich dunkelblau! Da musste Gift drin sein! Was sollte er tun?
Er ging zu König Konrad und seiner Frau und sagte: „Es tut mir wahnsinnig Leid, aber das Essen ist heute total versalzen! Da muss der Küchenmamsell das Salzfass ausgerutscht sein! Sie bekommen gleich etwas anderes.“ Und er räumte den Tisch ab. In der Küche wurde ganz schnell ein neues Essen zubereitet. Der Vorkoster machte damit natürlich den selben Test wie vorher.
Und so kam es, dass der König Konrad und seine Königin Konradine nie vergiftet wurden.
Nur der Vorkoster, der musste manchmal schwindeln und den Majestäten erzählen, dass das Essen versalzen war.


© Matthias Hoppe