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Der Vorkoster

Kapitel I: Der Zaubertrank

Jeder König hat einen Vorkoster. Das ist ein Mann, der alles, was der König essen und trinken soll, vorher probieren muss. Denn alle Könige haben Angst, dass jemand sie vergiften könnte. Und deshalb haben sie einen Vorkoster.
Bevor also ein König zu essen und zu trinken beginnt, muss zuerst der Vorkoster ran. Er kommt zum Tisch des Königs, nimmt mit seiner Gabel zum Beispiel ein Stück vom Schweinebraten und von den Knödeln, Soße natürlich auch und Krautsalat – und kaut alles gut durch. Dazu ein Schluck Bier. Wenn er runtergeschluckt hat, wartet der König eine Weile. Er will ja wissen, ob das Essen und Trinken vergiftet waren. Wenn Gift drin war, würde der Vorkoster tot umfallen. Wenn nicht, dann würde er bestimmt sagen: „Schmeckt aber sehr gut heute!“
König Konrad hatte heute einen seiner Diener dazu verdonnert, sein neuer Vorkoster zu sein. Denn der vorherige war gestern an Rattengift im Hähnchen gestorben. Der neue Vorkoster dachte: „Was? Ich soll mich, wenn ich Pech habe, selbst umbringen? Nee, ohne mich! Ich bin doch nicht blöd!“ Und er überlegte, ob es vielleicht einen Trick geben würde, mit dem er diesem furchtbaren Schicksal entgehen könnte.

König Konrad hatte ein neues Essen bekommen und wartete auf den Vorkoster. Der kam erst eine Weile später und  hatte etwas dabei. Es war ein Zaubertrank. Er schüttete es auf das Essen und probierte. Dann fragte König Konrad, ob es gut geschmeckt habe. Der Vorkoster nickte. Also ließ der König es sich schmecken. Am nächsten Tag lebte der Vorkoster immer noch. Da war König Konrad begeistert und meinte, dass er ihn belohnen würde, wenn er mehr von dem Zaubertrank herstellen würde. Dafür würde er von vielen Menschen geliebt werden. Aber der Vorkoster antwortete:

Kapitel II: Das Giftversteck

„Tut mir leid, Herr König, aber das Rezept für diesen Zaubertrank galt nur für eine Mahlzeit. Für die nächste Mahlzeit müssen Sie sich einen anderen Vorkoster suchen. Tut mir wirklich leid, aber ich bin kein Selbstmörder.“ Und er flüchtete aus dem Schloss.
Also befahl König Konrad einem anderen Diener, sein Vorkoster zu sein. Der war total verzweifelt: Was sollte er bloß tun? Er hatte davon gehört, dass sein Vorgänger einen Zaubertrank gehabt hatte – aber eben nur für eine Mahlzeit. Er selbst hatte aber kein Rezept für einen Zaubertrank. Da kam ihm eine Idee:

Er suchte den Koch, damit er seine Zutaten sah. Er beobachtete ihn heimlich, wie er kochte. Er suchte  das Gift in der Küche; alle Schränke durchstöberte er, aber er fand nichts. Aber aufgeben kam für ihn nicht in Frage. Er suchte immer weiter, und auf einmal entdeckte er etwas. Er fand es beim König im Saal. Der rief: "Stopp! Was machen Sie da?“

Der Vorkoster antwortete: „Herr König, ich glaube, ich habe das Gift gefunden. Schauen Sie mal her: In dieser leeren Schmuckschatulle war ein Pulver!“ Aber wie sollte das Pulver ins Essen geraten? Der Koch selbst kam ja nie in den Königssaal, der blieb immer in der Küche und rührte in den Töpfen und Pfannen. Er musste also einen Komplizen haben. Wer könnte das sein? Vielleicht einer der Diener, die die Mahlzeiten für den König servierten? Der könnte ja, wenn er mit dem Essen aus der Küche kam, kurz an der Schatulle vorbeigehen und unbemerkt ein paar Körner Gift darüber streuen. Der Vorkoster legte sich auf die Lauer. Und tatsächlich: Als der Diener das Mittagessen brachte, ging er an der Schmuckschatulle vorbei, hob kurz den Deckel, griff hinein und streute das Pulver auf das Essen. „Erwischt!“, rief der Vorkoster und kam aus seinem Versteck. Der König rief nach der Wache und ließ den Diener sofort festnehmen. - So hatte doch noch alles ein gutes Ende gefunden. Der Vorkoster konnte ohne Angst seinen Job machen, und Gift wurde nie mehr gefunden.