Kids & Teens

König Konrad und seine Probleme

Kapitel I: Die zwei Zaunkönige

Kastellonien war ein kleines Land, das noch einen König hatte. Der hieß Konrad und lebte in einem großen Schloss mit hundert Zimmern. Rund um das Schloss befand sich ein riesiger Park mit Blumenbeeten und hohen Bäumen. Und es gab einen großen Teich mit quakenden Fröschen. König Konrad von Kastellonien lebte  natürlich nicht ganz alleine im Schloss. Sonst hätte er ja alles selbst machen müssen. Er hatte viele Diener, einen Koch, einen Vorkoster, zwei Gärtner, einen Schneider, eine putzige Putzkolonne, eine Bettenaufschüttlerin, einen Haare-Schnipsler und Bartstoppel-Rasierer, eine Fingernägelfeilerin, einen Froschflüsterer für den Teich, eine hübsche Vorleserin für den Abend – und eine Katze namens Susi für jeden Tag. Jeden Tag nach dem Mittagessen machte König Konrad einen Spaziergang im Park. Er ging auch zum Teich und hörte  den Fröschen beim Quaken zu. Dann schlenderte er zum Zaun. Dort blieb er stehen und wartete, dass jemand vorbei käme. Aber es kam niemand. Er lehnte sich an den Zaun und wartete weiter. Eine Stunde. Zwei Stunden. Und noch eine halbe. Dann ging er wieder ins Schloss zurück und hielt einen langen Mittagsschlaf.So ging das jeden Tag. Und weil der König so oft und so lange am Zaun stand, nannten seine Diener ihn Zaunkönig. Aber das störte ihn nicht.An einem Montag stand König Konrad wieder am Zaun, so wie jeden Tag. Und er wartete wie immer auf Besuch. Aber es kam niemand. Doch: Nach einer Weile  kam ein kleiner Vogel geflogen und setzte sich auf den Zaun. „Wer bist du?“, fragte er den Vogel. „Ich bin ein Zaunkönig“, zwitscherte der Piepmatz.„Was?“, rief der König, „ich bin auch ein Zaunkönig!“„Wirklich? Und was machst du hier am Zaun?“, wollte der Vogel wissen. König Konrad antwortete: „Ich warte, dass mal ein paar Menschen vorbei kommen und sich mit mir unterhalten. Aber es kommt niemand.“„Hhmm“, überlegte der kleine Zaunkönig und meinte, dass wohl der Zaun das Problem sei. Denn ein Zaun war eine Sperre – so wie ein Stoppschild. Oder wie ein Gefängnisgitter. „Meinst du, die Leute gehen gerne zu einem Gefängnis? Warum sperrst du dich ein? Du hast doch niemandem etwas Böses getan, oder?“ - „Nein, ganz bestimmt nicht, ich schwöre“, sagte der große Zaunkönig zum kleinen Zaunkönig, „und du meinst wirklich, der Zaun ist schuld, dass niemand kommt?“„Probier's aus; ich komme wieder“, zwitscherte der Vogel und flog weg...

Kapitel II: Der Diebstahl und die Clownsklamotten

König Konrad schaute auf seine Taschenuhr und merkte, dass es schon spät war. Deshalb ging er ins Schloss zum Abendessen. Als er satt war, ging er in sein Schlafgemach, zog sich aus, legte seine Kleidung über das Bett und fiel hinein. Als er tief und fest schlief, schlich sich eine dunkle Gestalt in sein Zimmer. Am nächsten Morgen wachte der König auf und schaute in den Kleiderschrank: Dort war nur noch eine Unterhose! Und die hatte keine Brillanten und auch kein Glitzer, wie es die anderen hatten. Er fragte sich, wer wohl seine Kleidung geklaut hatte.

So stand König Konrad also im Nachthemd vor seinem Kleiderschrank und sah darin nur eine einzige Unterhose ohne Brillanten und Glitzer. Er ließ einen Detektiv kommen und befahl ihm, das ganze Schloss nach dem Dieb und den Klamotten abzusuchen. Nach drei Stunden kam der Detektiv zurück. Nichts! König Konrad überlegte: Nur mit einer Unterhose bekleidet, konnte er unmöglich das Schloss verlassen! Aber er wollte so gerne den kleinen Zaunkönig wieder treffen. Also rief er seinen Hubschrauberpiloten und befahl ihm, in die Stadt zu fliegen und neue Klamotten für ihn zu kaufen.
Der kam nach fünf Stunden zurück und brachte neue Unterwäsche mit Brillanten und Glitzer, dazu zwei Hosen und zwei Hemden, eine lila Krawatte, ein Paar Schuhe und eine neue Schlafmütze für die Nacht. König Konrad probierte alles an. Aber der Hubschrauberpilot hatte sich in der Größe geirrt: Alles war fünf Nummern zu groß! König Konrad sah aus wie ein Clown. Sollte er so in den Garten gehen, um den kleinen Zaunkönig zu treffen? Und wenn Leute aus der Stadt am Zaun vorbei kommen würden, dann würden sie ihn bestimmt auslachen. Was sollte er tun? …

Der kleine König sah erst ganz verärgert in den Spiegel und betrachtete sich lange. „Vielleicht finde ich neue Freunde, wenn ich lustiger ausschaue? Ich sehe nicht mehr aus wie ein König und muss mich auch nicht so benehmen. Ich kann das machen, was ich will und was mir Spaß macht“.  Er stärkte sich mit einer großen Portion Käsespätzle,verspeiste zum Nachtisch ein riesiges Eis und schlich sich hinter den Wachen vorbei in den Garten. Der kleine König wollte nämlich unbedingt den Zaunkönig wieder treffen. Als er ihn erblickte, lief er sofort zu ihm. Der Zaunkönig lachte laut, als er ihn sah. Doch der König hatte etwas vor.
Er ging wieder zurück ins Schloss und sagte zu seinem Schreiber: „Ich diktiere und du schreibst den Brief. Also, ich fange mal an:

Liebe Bürger,

bitte geht am Sonntag,  den 5. 9. 1465, in das Pizzarestaurant. Denn ich will euch dort etwas mitteilen!

Liebe Grüße

König Konrad

Kapitel III: Der Tag der Offenen Tür

Da wurden die Bürger natürlich neugierig, was König Konrad ihnen mitteilen wollte. Und alle kamen am 5. September 1465 in das Pizzarestaurant. Aber das war viel zu klein, um alle Bürger aufzunehmen. So mussten viele draußen vor dem Lokal stehen bleiben. Dort konnten sie aber nicht hören, was König Konrad ihnen sagen würde. Also befahl er seinen Dienern, vor der Pizzeria Lautsprecher aufzustellen. Dann fing er an: „Liebe Bürgerinnen und Bürger! Schön, dass ihr alle gekommen seid. Ich bin zwar euer König, aber ihr seht ja selbst: Ich sehe nicht mehr aus wie ein König. Keine Krone und kein Glitzergewand, dafür Clowns-Klamotten. Denn ich habe beschlossen, ab jetzt ein Clown zu sein. Und ich werde den Zaun rund um das Schloss abreißen lassen. Dann könnt ihr mich alle besuchen. An jedem Mittwoch ist Tag der Offenen Tür, da dürft ihr einfach ins Schloss rein spazieren. Und bringt eure Kinder mit, denn als Clown will ich sie und euch zum Lachen bringen!“
Da wunderten sich die Leute sehr: Ihr König ein Clown! Na, das konnte ja heiter werden! Und sie waren schon sehr gespannt auf den nächsten Mittwoch...

Als es dann Mittwoch war, kam die halbe Stadt zu ihm ins Schloss, um ihn zu sehen. „Nun, meine Damen und Herren, Jungen und Mädchen, hiermit ist die Vorstellung eröffnet!“, brüllte König Konrad. Er hatte riesige, pinke Schuhe an, dazu ein gepunktetes Hemd und eine gestreifte Flatterhose. Die lila Schleife fehlte natürlich auch nicht. König Konrad sang zuerst ein lustiges Lied.

Dieses Lied hatte er selbst gedichtet. Er sang es auf die Melodie von „Ein Vogel wollte Hochzeit machen“. Und das ging so:

Ein König wollte Blödsinn machen
in dem großen Schlo-ho-hoss.
Fidirallala, fidirallala, fidirallalalala.

Der König, der hieß Ko-hon-rad
und hatte auch ein Fa-har-rad.
Fidirallala, fidirallala, fidirallalalala.

Auf diesem Fahrrad turnte er
ganz akrobatisch – gar nicht schwer!
Fidirallala, fidirallala, fidirallalalala.

Der Kopfstand war ein Kinderspiel,
so kam das Fahrrad dann ins Ziel.
Fidirallala, fidirallala, fidirallalalala.


Aber dieses Lied war nicht das Einzige, was König Konrad zu bieten hatte. Er wollte ja neue Freunde finden. Und deshalb hatte er sich gut vorbereitet, um die Kinder und Erwachsenen einen ganzen Tag lang zu unterhalten. Die waren schon sehr gespannt, was da noch alles kommen würde.

König Konrads Fahrrad war knallrot. Da kam ein Mann mit einem Wagen daher gefahren. Dieser Mann kam König Konrad bekannt vor. Er dachte: „Das ist doch mein Haareschnipsler!“ Als König Konrad ihm folgen wollte, war der schon hinter dem Schloss verschwunden. „Hinten im Wagen hat doch etwas gefunkelt“, sagte König Konrad. Aber er dachte, es sei nur ein Geschenk für die Oma des Haaresschnipslers gewesen. Doch nun ging es weiter: Jetzt machte König Konrad einen doppelten Salto mit seinem Fahrrad!
So ging das jeden Mittwoch.

Kapitel IV: Ein rauschendes Fest mit Freunden

Doch etwas hatte sich geändert. König Konrad hatte bei den Tagen der Offenen Tür in seinem Schloss Freunde gefunden. Die lud er zu einem Fest ein. Dort gab es ein riesengroßes Festessen mit  Schweinebraten. Es gab sogar Hummer und Senf. Und danach einen sehr prunkvollen Ball. Spät Abends spielte ein großes Orchester mit fünfzig Geigen, zehn Cellos, fünfzehn Bratschen, zwei Querflöten, einem Saxofon und zwanzig Kontrabässen. Es trat auch eine Opernsängerin auf. Und auch der Haareschnipsler war da. Er behauptete, seine Oma hätte 70. Geburtstag gehabt. Und er wollte ihr ein Glitzerkleid schenken.
Es war ein wunderbarer Abend. „Nur schade, dass ich nicht edel angezogen sein konnte“, bemerkte Konrad am nächsten Morgen. Zum Frühstück gab es Käsekuchen.
Aber an diesem Tag wollte König Konrad unbedingt den kleinen Zaunkönig wieder treffen. Er erzählte ihm alles und sagte begeistert: „Der Tipp von dir war einfach Klasse! Jetzt kommen sicher noch mehr Besucher!“ Und Konrad ließ sich überraschen, ob sein Wunsch in Erfüllung gehen würde.

Er hatte also schon einige Probleme aus dem Weg geräumt: Der Zaun war weg, sein Schloss war kein Gefängnis mehr, er selbst musste sich nicht mehr als Zaunkönig beschimpfen lassen, er hatte Plakate in der Stadt für den Tag der Offenen Tür aufhängen lassen, es gab ein riesiges Fest, viele Leute waren gekommen. Eigentlich hätte König Konrad zufrieden sein können. Und trotzdem: Irgend etwas stimmte noch nicht. Denn der Haareschnipsler war der Dieb gewesen, der seine Klamotten geklaut hatte. Und deshalb musste König Konrad jetzt in Clowns-Hemden und -Hosen rumlaufen. Der Haareschnipsler hatte wahrscheinlich irgend jemanden gebeten, einen seiner glitzernden Anzüge in ein Kleid für den 70. Geburtstag seiner Oma umzuschneidern. Genau! Das war bestimmt der Schneider gewesen!
König Konrad überlegte: Eigentlich waren der Haareschnipsler und der Schneider ja ganz nette Leute. Aber warum hatten sie so etwas getan? Naja, vielleicht wirklich wegen des Geburtstags der Oma. König Konrad konnte das irgendwie verstehen. Zu einem Geburtstag will man ja nicht ohne Geschenk gehen. Gerne würde König Konrad den Haareschnipsler und den Schneider ebenfalls zu seinen Freunden zählen. Aber dazu müssten die beiden sich zuerst entschuldigen. Die Frage war nur, ob sie den Mut dazu hätten.

Und tatsächlich: Sie hatten den Mut, sich zu entschuldigen. Das taten sie, als König Konrad mal wieder Himbeereis schleckte. König Konrad sagte: „Na gut, weil ihr schon früher meine Freunde ward, seid ihr auch jetzt wieder meine Freunde.“ Und so erlebten sie noch viele Abenteuer.